KOMMUNIKATION IN INFRASTRUKTURPROJEKTEN

Projektleiter im Interview

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Andreas Eggimann setzte während mehrerer Jahrzehnte mit seinem Team komplexe Infrastrukturprojekte der SBB um. Kurz vor seinem Ruhestand wollten wir vom erfahrenen Projektleiter wissen, was ein Projekt zum Fliegen bringt und wie man am besten mit Interessenkonflikten umgeht.

 

Welches sind die Erfolgsfaktoren in einem Projekt?

Ein zentraler Erfolgsfaktor sind die Leute. Es ist wichtig, rechtzeitig die richtigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ins Projektteam zu holen. Personen, die in der Lage sind, Details zu bearbeiten, sich dabei aber immer am Gesamtziel orientieren. Denn das Ziel darf man nie aus den Augen verlieren. Gerade bei grossen Projekten ist die Gefahr da, sich in Details zu verlieren. Als Projektleiterin, als Projektleiter muss man beharrlich sein, immer an den Erfolg glauben, Geduld haben und Zeit in die Kommunikation investieren.

 

Weshalb ist es wichtig, genügend Zeit in die Kommunikation zu investieren?

In der heutigen, schnelllebigen Zeit, wo sich Falschmeldungen innert Minuten auch über die Sozialen Medien verbreiten, sind die rechtzeitige Information und Einbindung aller zentralen Anspruchsgruppen noch wichtiger geworden. Ein Projekt existiert nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einer Umgebung mit Menschen, die mehr oder weniger vom Projekt betroffen sind. Mit ihnen muss man ins Gespräch kommen, ihre Haltung verstehen und in der Projektleitung die nötigen Schlüsse ziehen. Eine professionelle Projektkommunikation hilft hier ungemein.

«Professionelle Projektkommunikation entlastet Projektleiter und Projektleiterinnen.»

Immer öfter wird Mitwirkung gefordert von Anwohnerinnen und Betroffenen. Was gilt es, bei solchen partizipativen Prozessen zu beachten?

Man muss davon ausgehen, dass die meisten Stakeholder das Projekt als «Einschnitt in ihren Lebensraum», vielleicht sogar als «Bedrohung» betrachten. Diese Ängste werden kleiner, wenn man die Betroffenen schon früh ins Projekt integriert und mögliche Lösungen mit ihnen gemeinsam erarbeitet. Es ist klar, so ein partizipativer Prozess ist finanziell und zeitlich aufwändig, lohnt sich aber, weil sich dadurch im Idealfall Einsprachen erübrigen.

 

Wie geht man bei Interessenkonflikten am besten vor, also wenn Forderungen einer Stakeholdergruppe den Forderungen einer anderen Stakeholdergruppe widersprechen?

Wenn möglich, sollte man alle an einem runden Tisch zusammenbringen und miteinander reden. Gerade wenn man als Bauherrin in der Zwickmühle ist, weil sich die Interessen unterschiedlicher Stakeholdergruppen widersprechen, kann dies ein Türöffner für eine gemeinsame Kompromisslösung sein. Idealerweise leitet eine externe Moderatorin bzw. ein Moderator das Gespräch. Diese Person kann die Wogen meist glätten, sollte die Diskussion zu emotional werden. Als Bauherrin gilt auch hier: Geduldig sein, Kompromissbereitschaft zeigen, aber am Schluss auch den Mut haben, sich gegen die eine oder andere Gruppe zu entscheiden, wenn es nötig ist.

 

Haben Sie Projekte ohne nennenswerte Interessenkonflikte erlebt oder gehört das einfach dazu?

Ich habe noch nie ein grosses Projekt erlebt, in dem es keine Interessenkonflikte gab. Wo viele unterschiedliche Interessen betroffen sind, gibt es auch immer Konflikte.

«Eine Agentur bringt die unabhängige Aussensicht ins Projekt ein – sofern man als Bauherr diese kritische Stimme zulässt.»

Sehen Sie auch positive Seiten von Konflikten?

Ja, man ist gezwungen, sich in ganz andere Gedankenwelten einzudenken. Plötzlich sind andere Wege möglich, neue Lösungsansätze erscheinen, die dann auch zu Durchbrüchen in vorher festgefahrenen Situationen führen.

 

Die SBB hat ein professionelles Kommunikationsteam. Trotzdem haben Sie immer wieder externe Ressourcen – Agenturen – für die Projektkommunikation beigezogen. Warum?

Auch bei der SBB sind die internen Ressourcen begrenzt und können in einem umfangreichen Projekt nicht alle Arbeiten übernehmen. Dazu kommt ein Aspekt, den man nicht vergessen darf: die unabhängige Aussensicht. Diese kann eine externe Agentur sehr gut einbringen, sofern man als Bauherrin bereit ist, diese kritische Stimme auch zuzulassen.

In seiner letzten Funktion war Andreas Eggimann Gesamtprojektleiter der Konzessionserneuerung des Wasserkraftwerks Etzelwerk (Sihlsee), das rund 10% des Bahnstrombedarfs deckt. C-Factor unterstützt die SBB seit 2013 bei der Projektkommunikation. Im Sommer 2021 erreichte die SBB mit der Eingabe des Konzessionsgesuchs einen wichtigen Meilenstein im Verfahren, das bis 2023 abgeschlossen sein sollte.

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17.09.2021