Du oder Sie in der Stellenanzeige

Ticken Romands tatsächlich so anders als Deutschschweizer? Wir haben’s getestet.

Ein ausführlicher UX-Test zeigt: Die Du-Ansprache kommt in der Deutschschweiz ebenso wie in der Romandie gut an. Der Glaubenskrieg zur Du- oder Sie-Frage lohnt sich deshalb nicht.

Umfangreicher UX-Test zur Du-Ansprache durchgeführt

Kulturelle Unterschiede geringer als vermutet

Sechs Personen äusserten sich kritisch zum Du im Stelleninserat.
Auf der Landingpage wird die Du-Form lediglich noch von einem Zehntel der Befragten abgelehnt.

Diese Gründe sprechen für die Du-Ansprache

  • Das Du auf Stelleninserat und Karriere-Website schafft Nähe und Vertrautheit. Oder wie es eine Westschweizer Testperson schön ausdrückte: «Le tutoiement aide à humaniser l’endroit de travail et faciliter la collaboration». Das Du macht den Arbeitsplatz menschlicher und erleichtert die Zusammenarbeit.
  • Es entspricht dem Selbstverständnis der jungen Generation (sogar weit darüber hinaus) und macht die Arbeitgebermarke ein Stück jünger – was gerade für Firmen mit etwas ältlichem, konservativen Image vorteilhaft sein kann.
  • Das Du steht für Offenheit, flache Hierarchien und einen kollegialen Umgang (dieses Versprechen sollte dann auch eingelöst werden)
  • Es wirkt sympathisch – und trotzdem professionell, wie verschiedene Testpersonen betonten (vorausgesetzt, es wird auch konsistent gehandhabt).

Diese Gründe sprechen für die Sie-Ansprache

  • Eine Gegnerin der Du-Ansprache hielt fest, das Du wirke billig: «Le tutoiement, ça convient peut-être pour les jeunes qui travaillent chez McDonald. Mais pas pour un poste de responsabilité.» Das Du passt vielleicht zu den Jungen, die bei McDonalds arbeiten. Aber sicher nicht für verantwortungsvolle Aufgaben, so der Kommentar.
  • Umgekehrt gesagt: Die Sie-Ansprache steht für höfliche Distanz und Respekt, etwa vor den fachlichen Kompetenzen einer Person. Dem individuellen Wechsel zum Du, nachdem man sich persönlich kennengelernt hat, steht dies nicht im Wege.
  • Ebenso steht das Siezen für Seriosität, Zurückhaltung und eine gewisse Diskretion. Als typische Sie-Domänen wurden etwa die Finanzbranche, Behörden, Anwälte oder die Justiz genannt.

Keine Glaubensfrage daraus machen

Unternehmen, die aufs Du wechseln, können davon ausgehen, dass sie keine Kandidaten verlieren alleine wegen der Du-Ansprache.

Was wirklich zählt beim Rekrutierungsprozess

  • Stellenbewerberinnen und -bewerber erwarten eine schnelle erste Reaktion sowie regelmässige und gut begründete Updates zum Stand des Verfahrens.
  • Eine persönliche Ansprechperson und ein rasches persönliches Treffen sind weiterhin wichtig – automatisierte Antworten, anonyme Karriereseiten und Bot-Interviews sind je nach Branche unbeliebt.
  • Die Komplexität des Bewerbungsprozesses muss zur Komplexität des Anforderungsprofils passen; für einfache Jobs sollte also auch das Verfahren entsprechend einfach sein.
  • Der gesamte Bewerbungsprozess sollte möglichst kurz sein – in Zeiten des Fachkräftemangels ist Tempo Pflicht; wer zu lange wartet mit dem Entscheid, bleibt aussen vor.

Autor

Philipp Metzler ist Mit-Gründer und Partner bei C-Factor. Einst als Journalist gestartet, verfügt er über rund 25 Jahre Erfahrung in der Kommunikations­beratung. Er hat die Entwicklung von der klassischen Kommunikations­agentur mit PR-Fokus zur Spezialistin für Content Marketing, Employer Branding und Projekt­kommunikation geprägt. Als Leiter Beratung ist er Sparring Partner für Kund:innen, das Beratungsteam sowie das Kreativnetzwerk der Agentur.

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