Auf Du und Du von A bis Z
Generali und Postfinance ziehen das Du im gesamten Bewerbungsprozess durch. Wie die Unternehmen mit dem Dafür und dem Dawider des Duzens vorgegangen sind, sagen uns Iris Schuler, Employer Brand & HR Marketing Expert bei Generali, und Taru Koch, Leiterin Staffing bei Postfinance.
Was war der Grund für den Entscheid, aufs Du zu wechseln?
Iris Schuler: Generali möchte als Arbeitgeberin ein Umfeld bieten, das Offenheit und Austausch auf Augenhöhe fördert. Die Umstellung auf die Du-Kultur war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Das Du lädt ein, Gedanken einfacher zu äussern. Es schafft Klarheit, denn man muss nicht mehr überlegen, ob man eine unbekannte Person siezt oder duzt. Heute grüssen auch die Lernenden den CEO mit «Hoi Andi».
Taru Koch: Sich auf Augenhöhe zu begegnen ist uns sehr wichtig. Diesen Wert wollten wir nach aussen tragen. Über die Du-Ansprache wird er sichtbar. Daher haben wir uns 2016 zum Du im Rekrutierungsprozess entschlossen. Die Du-Kultur innerhalb des Unternehmens pflegten wir aber bereits lange zuvor.
Wie ist das Unternehmen dabei vorgegangen?
Iris Schuler: Die Initiative kam vom HR. Der CEO war spontan begeistert. Er kommunizierte in seinem wöchentlichen Blog auf unserem Intranet, dass per sofort auf allen Hierarchiestufen und in der ganzen Schweiz das Du gelte. Auch im Rekrutierungsprozess. Die Mitarbeitenden setzten die Du-Kultur anschliessend autonom um. Wir vom HR waren lediglich da, um Fragen zu beantworten. Im Umgang mit potenziellen Mitarbeitenden sind wir aktiver. Beim Erstkontakt sprechen wir sie mit Du an und fragen, ob dies in Ordnung geht. Wünscht jemand das Sie, dann berücksichtigen wir das natürlich.
Taru Koch: Die Initiative ging vom HR aus. Nach dem positiven Entscheid der Geschäftsleitung setzten wir ein Pilotprojekt auf. Wir führten das Du erst bei den Trainees und Praktikanten ein, da wir annahmen, dass das Zielpublikum positiv darauf reagiert. Nach einer quantitativen Erfolgskontrolle weiteten wir die Du-Ansprache auf andere Bereiche aus. Begleitend schulten wir HR-Mitarbeitende und Vorgesetzte, etwa zu Stelleninseraten, telefonischen Auskünften und dem Bewerbungsgespräch. Und wir stellten Hilfsmittel wie Präsentationen, Korrespondenzbeispiele und Q&A zur Verfügung.
Welche Schwierigkeiten sind dabei aufgetaucht?
Iris Schuler: Für die einen war die Du-Ansprache ungewohnt, vor allem für Westschweizer. Dort ist man im Umgang viel formeller. Deshalb dauerte es länger, bis sich das Du etabliert hat. Nach und nach wurde aber allen bewusst, dass Duzen die Kultur dynamischer und unkomplizierter macht. Mittlerweile schätzen dies die Mitarbeitenden.
Taru Koch: Unsere Befragung zeigte kulturelle Unterschiede zwischen den Sprachregionen. Das Duzen ist in der Deutschschweiz intern und extern gut angekommen. In der Westschweiz und im Tessin wurde es dagegen als eher unhöflich empfunden.
Wie reagierte das HR darauf?
Iris Schuler: Wir haben die Vorteile der Du-Ansprache immer wieder kommuniziert, aber niemanden gezwungen, sie sofort umzusetzen. Stattdessen fragen wir lieber nach, wie sie klarkommen. Wichtig ist uns, dass die Mitarbeitenden das Du von sich aus pflegen.
Taru Koch: Um die Candidate Experience in jeder Region als positives Erlebnis zu gestalten, haben wir uns entschlossen, in der italienischen und französischen Schweiz beim Sie zu bleiben.
Welche Vorteile ergeben sich aus der Du-Ansprache?
Iris Schuler: Sie wirkt sich positiv auf unser Bild als Arbeitgeberin aus. Vor allem die Generationen Y und Z schätzen die Du-Kultur sehr und finden es sehr angenehm, gleich per Du zu sein. Das Du entspricht ihrem Wunsch nach einem einfachen, schnellen und unkomplizierten Umgang. Im Bewerbungsprozess ziehen wir Leute an, die auf die Du-Kultur ansprechen.
Taru Koch: Mit der Du-Ansprache differenzieren wir uns am Markt. Wir ziehen so Kandidaten an, die zu uns passen.
Wie kommt das Du bei Kandidatinnen und Kandidaten an?
Iris Schuler: Die meisten finden, dass es den Umgang vereinfacht. Im Interview ermöglicht es eine lockere Atmosphäre, und beim Kandidaten wird auch die Nervosität etwas gemildert. So entsteht bereits von Anfang an das unkomplizierte Miteinander, was Teil unserer Unternehmenskultur ist.
Taru Koch: Die Kandidatinnen und Kandidaten reagieren meist sehr positiv. Sie empfinden das Du als frisch und modern. Duzen ist ein Eisbrecher; es schafft eine positive Atmosphäre.
Was sollten Firmen beachten, die sich das Du im Bewerbungsprozess überlegen?
Iris Schuler: Das Du sollte an die Unternehmenskultur anknüpfen; die Brücke zu etwas Bestehendem schlagen. Man sollte Mitarbeitenden erklären, warum man zum Du wechselt, und sie bei Unsicherheiten unterstützen. Dabei helfen konkrete Hilfsmittel wie ein FAQ oder Telefontrainings zum Rekrutierungsprozess.
Taru Koch: Sie sollten sich fragen, ob das Du authentisch ist und zur Unternehmenskultur passt. Beim Umsetzen empfiehlt es sich, mit Augenmass vorzugehen: Abhängig von der regionalen Kultur und dem Bewerbungsvolumen kann der Weg zum Du mehr Zeit brauchen. Damit Mitarbeitende den Entscheid mittragen, sollte man ihn begründen und sie bei der Umsetzung unterstützen. Ein Pilotprojekt unterstützt die interne und externe Akzeptanz zusätzlich.